Beim Schreiben eines Buches über „die 10 Gebote aus biologischer Sicht“ war ich nicht wenig erstaunt, als ich erfuhr, dass die orthodoxen Christen, die Katholiken, die protestantischen Kirchen und die Juden nicht alle die gleichen 10 Gebote haben. Wer die „richtigen“ 10 Gebote hat, kann keiner sagen. Genau genommen gibt es je nach Interpretation 9 bis 11 Gebote. Damit die Anzahl bei 10 bleibt, haben die unterschiedlichen Religionen „ihre“ Gebote ein bisschen zurechtgebogen.
Die „Augustinische Zählung“.
Für die Katholiken gilt die „augustinische Zählung“. Der Theologe Augustinus von Hippo (354–430) machte aus dem letzten Gebot 2 Gebote. So wurde aus dem ursprünglichen Gebot Exodus (2. Mose) 20:16-17 „Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren. Du sollst nicht die Frau deines Nächsten begehren, nicht seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.“ ein 9. Gebot („Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“) und ein 10. Gebot („Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau“). Mit dieser Aufteilung hatte aber Augustinus ein neues Problem. Er hatte nun 11 Gebote! Weil das nicht sein durfte, entfernte er einfach das 2. Gebot „Du sollst dir kein Kultbild machen“ (2.Mose 20,4). So gibt es bei den Katholiken und vielen anderen Religionen, seit dem Hl. Augustinus unterschiedliche Gebote. Auch die Nummerierung ist bei allen ein bisschen anders. (Ein bisschen Beschäftigungstherapie für Theologen).
Der „Wert“ einer Frau
Im Altertum war die Frau bei den Israeliten und den im Orient lebenden Völkern überwiegend „Eigentum“ des Mannes. Der „Wert“ einer Ehefrau unterschied sich zwar im Geldwert von Mägden und Sklavinnen, aber sie wurde so wie das Haus und das Vieh als „Sachwert“ empfunden. Bei der Vergewaltigung einer Frau bestand die Strafe (laut Codex Hamurabi) oft in einem Geldwert. Diesen bekam nicht die geschändete Frau, sondern ihr „Herr und Besitzer“. Dabei wurde die Strafe für die Schändung der Ehefrau, einer Magd oder eine Sklavin unterschiedlich hoch bemessen. Das Geld bekam aber in jedem Fall der Mann. Interessanterweise gelten Tiere nach österreichischem Recht auch heute noch als „Sache“. Wird ein Hund überfahren, so wird der Geldwert dem Besitzer (der Besitzerin) zugesprochen. So wie Tiere heute (fast) keine eigenen Rechte haben, hatten im Altertum Frauen (fast) keine eigenen Rechte.
Welche 10 Gebote sind nun die „Richtigen“?
Das weiß niemand so ganz genau. Jede Religion hat ihre eigenen 10 Gebote und in verschiedenen Epochen unterschiedliche Gebote! Aber vielleicht lohnt es sich in die Klassenzimmer einer Schule im US-Bundesstaat Louisiana, zu sehen. Dort müssen ab 2025 die Zehn Gebote in den Klassenzimmern jeder Schule hängen. Ob sich da die Gesetzgeber schon Gedanken drüber gemacht haben, „welche 10 Gebote“ sie vorschreiben sollen? In einem Land, in dem Religionsfreiheit in der Verfassung festgeschrieben steht! Man darf gespannt sein, wer sich da so gut mit Religionen auskennt, dass er mit der Formulierung für alle anerkannten Religionen zurechtkommt.
PS: Das Buch ist noch nicht fertig. Sollte ein Verlag Interesse daran haben, bitte ich um Kontaktaufnahme unter der E-Mail-Adresse Ordination@Ledochowski.info