Nahtoderlebnisse medizinisch erklärt (Teil III „Lebensfilm“)

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Einer der häufigsten „Beweise“ für ein Leben nach dem Tod sind sogenannte Nahtoderlebnisse. Menschen, die klinisch tot waren und erfolgreich wiederbelebt wurden, berichten manchmal (nicht immer!) von sogenannten Nahtoderfahrungen. Das sind Erlebnisse, die sie hatten, als sie bewusstlos waren oder als „klinisch tot“ galten.

Ein weiteres häufig geschildertes „Erlebnis“ bei Menschen mit Nahtoderfahrungen ist die Beschreibung „dass sie ihr ganzes Leben wie in einem Film ablaufen sahen“. Siehe dazu auch den Fragebogen von Greyson.

Wie kommt es zu einem „ablaufenden Lebensfilm“?

Manche Menschen mit Nahtoderfahrung berichten, dass sie ihr ganzes Leben wie in einem Film ablaufen sahen. Alle wichtigen Lebensabschnitte wurden noch einmal wie in einem schnell ablaufenden Film gesehen, ja sogar noch einmal durchlebt. Oft wird vermutet, dass dieser „Lebensfilm“ wie in dem Schauspiel „Jedermann“ von Hugo v. Hofmannsthal am Lebensende die guten und schlechten Taten als eine Art „Rechenschaftsbericht“ vor dem geistigen Auge ablaufen lässt. Sozusagen als Zusammenfassung des eigenen Lebens, wenn man vor seinen Schöpfer tritt. Leider ist das nicht so.

Erklärung:

Der sogenannte „Lebensfilm“ ist ein ganz normales physiologisches Phänomen. Dazu muss ich aber ein wenig ausholen und einige Funktionen des Gehirns erklären. Im Gehirn gibt es eine Struktur, die Hippocampus genannt wird. Der Name kommt daher, weil er an die Form eines Seepferdchens erinnert. Wenn man den Hippocampus bei einer neurochirurgischen Operation entfernt, kann man sich an nichts mehr erinnern. Deshalb ging man lange Zeit davon aus, dass das Gedächtnis im Hippocampus lokalisiert ist. Ganz so einfach ist es aber nicht, auch wenn der Hippocampus eine zentrale Rolle für das Gedächtnis spielt. Heute hat sich folgendes Modell für die Funktion des Hippocampus herauskristallisiert: Wenn man ein gefährliches oder stark emotionales Erlebnis hat, wird dieses zunächst im Hippocampus abgespeichert. In der folgenden Nacht wird dieser Erlebnisinhalt dann in das Frontalhirnverschoben“. Im Hippocampus bleibt dann nur noch die „Adresse“ des Erinnerungsinhalts. Dies funktioniert ähnlich wie bei einem Computer. Der Hippocampus arbeitet eng mit der Amygdala zusammen, einer Gehirnregion, in der Emotionen verarbeitet werden. Damit werden Erlebnisse zusammen mit emotionalen Gedächtnisinhalten abgespeichert.

Als Beispiel für die Funktionsweise des Hippocampus kann man sich die Erinnerung an eine Situation vorstellen, in der ein zunächst knurrender, dann aggressiv bellender Hund einem Menschen eine Bissverletzung zugefügt hat. Diese Situation wird im Hippocampus gespeichert, mit der Emotion „Angst“ und dem erlittenen „Schmerz“ verknüpft und beim nächsten Schlaf im Frontalhirn abgespeichert. Kommt es nun später zu einer ähnlichen Situation, z. B. ein Hund knurrt und fletscht seine Zähne spielt sich im Gehirn Folgendes ab: Das Gehirn sucht im Hippocampus, ob es schon einmal eine ähnliche Situation erlebt hat und ob es erfolgreiche Reaktionen zu so einer Situation gespeichert hat, auf die es zurückgreifen kann. Auf diese Weise wird der Hippocampus zum zentralen Organ der Gefahren- und Stressregulation. Hier sind die Adressen für alle wichtigen Notsituationen gespeichert, die man schon einmal erlebt hat. Gleichzeitig steuert der Hippocampus auch die Ausschüttung von Stresshormonen und bereitet so auf Flucht- oder Kampfsituationen vor. Bei jeder Stresssituation wird auf diese Weise nicht nur geprüft, ob es eine ähnliche Erinnerung gibt, die schon einmal erfolgreich gelöst werden konnte, sondern auch die Stressreaktion optimiert. Dieses „Notfallgedächtnis“ verschafft Menschen und Säugetieren einen enormen Überlebensvorteil, weil damit die Voraussetzung geschaffen wird, mit jeder Notsituation immer besser zu handeln.

Wenn nun jemand ein Nahtoderlebnis hat, so stellt dies für die betroffene Person eine enorme Stresssituation dar. Dies hat zur Folge, dass im Hippocampus nachgeschaut wird, ob eine ähnliche Situation nicht schon einmal vorhanden war und erfolgreich bewältigt wurde. Da im Gedächtnis meist kein solches Ereignis gefunden wird, muss der Hippocampus alle gespeicherten Adressen mit den entsprechenden Erinnerungen abrufen. Damit kommt es zu einem „ablaufenden Film aller Erlebnisse“, die seit der frühen Kindheit bestanden haben. Natürlich werden dabei nur die „wichtigen“ Erinnerungen abgerufen, da nur diese stark emotional gefärbt sind. Das ist der Grund, warum Menschen mit Nahtoderfahrungen das Gefühl haben, ihr ganzes Leben würde vor ihrem inneren Auge ablaufen. Eine ganz normale Reaktion des Gehirns, die nichts mit Gut und Böse und schon gar nichts mit einem „das Leben überprüfenden“ Gott zu tun hat.

Mehr zum Thema Scheintod finden Sie in meinem Buch „Die Wunder der Bibel medizinisch erklärt“ oder sie warten bis ich weitere Erklärungen für weitere Nahtoderlebnisse in späteren Beiträgen erkläre.
Anmerkung: Derzeit schreibe ich an einem Buch über sogenannte Wunder und wie sie oft ganz einfach medizinisch erklärt werden können. Sollte ein Verlag an so einem Buch Interesse haben, schreiben Sie bitte an Maximilan@Ledochowski.info