Neurotheologie (Teil 3): Haben Tiere religiöse Gefühle?

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/Midbrain.gif
Im Laufe der Evolution haben sich im Gehirn Strukturen und Schaltkreise entwickelt, die das Überleben sichern. So weisen viele Tiere wie Vögel und Säugetiere Hirnstrukturen auf, die als Grundlage für kooperatives Verhalten und soziale Strukturen dienen. Dies erhöhte die Wahrscheinlichkeit, zu überleben und sich fortpflanzen zu können. Solche „Überlebensschaltkreise“ finden sich bereits in entwicklungsgeschichtlich sehr alten Hirnstrukturen, die auch bei der Entstehung religiöser Gefühle eine Rolle spielen dürften.

Tatsächlich konnte in einer Studie zu Spiritualität und Religiosität ein Hirnschaltkreis gefunden werden, der im periaquäduktalen Grau des Mittelhirns angesiedelt ist. Schädigungen in diesem Bereich führten zu hyperregligiösem Verhalten, Wahnvorstellungen oder dem sogenannten Alien-Limb-Syndrom. Das ist eine neurologische Erkrankung, bei der eine Person das Gefühl hat, dass ein Glied (meistens ein Arm oder ein Bein) nicht zu ihr gehört oder das Gefühl besteht, von einer externen Kraft gesteuert zu werden.

Die Schaltkreise des periaquäduktalen Graus im Mittelhirn spielen eine wichtige Rolle beim Verteidigungsverhalten und kommen bei allen Wirbeltieren vor. Diese Hirnstruktur, die eine Art „Überlebensschaltkreis“ darstellt, entstand schon vor etwa 500 Millionen Jahren! Die Funktion dieses Schaltkreises war so erfolgreich, dass er alle 5 Massensterben in der Erdgeschichte „überlebt“ hat. Das letzte Massensterben fand vor etwa 66 Millionen Jahren statt. Damals löste ein Asteroideinschlag das Aussterben fast aller Dinosaurier aus. Kleine Säugetiere, überstanden diese Katastrophe und traten ihren Siegeszug im evolutionärem Kampf ums Überleben an. So sind die alten Strukturen des Gehirns, auf denen „religiöses Verhalten“ aufbaut bis heute erhalten geblieben.

Natürlich ist religiöses Verhalten viel komplexer und nicht auf einen einzigen Schaltkreis im Gehirn zurückzuführen. Aber die Tatsache, dass sehr alte Teile des Gehirns an religiösem Verhalten beteiligt sind, lässt folgende Vermutungen zu:
    1. Auch Tiere haben Hirnstrukturen, die dem Menschen gleichen und dort an religiösem Verhalten beteiligt sind.
    2. Diese Hirnstrukturen tragen zum besseren Überleben bei (Überlebensschaltkreis).
    3. Diese Hirnstrukturen sind am Verteidigungsverhalten beteiligt.
Beim Menschen wurde eine Dysregulation dieses „Überlebensschaltkreis“ mit angstbedingten Störungen in Verbindung gebracht. Weitere Funktionen des periaquäductalen Grau im Mittelhirn sind neben der Angstkonditionierung die Schmerzmodulation und vermutlich altruistisches Verhalten. Auch altruistisches und kooperatives Verhalten bietet einen wesentlichen Überlebensvorteil.
Nach diesem kurzen Ausflug in die ältesten Gehirnfunktionen wird verständlich, warum sich Religionen immer wieder und in allen Kulturen etabliert haben und etablieren werden. Es wird auch verständlich, warum Religion einerseits mit Angst und Aggression („Angstbeißer“), andererseits aber auch mit altruistischem Verhalten zu tun hat. Beides sind Überlebensstrategien, die sich seit über 500 Millionen Jahren bewährt haben.

 

Weiter Beiträge zu diesem Thema

Mehr zum Thema finden Sie in meinem Buch „The miracles of the Bible viewed differently

 

Anmerkung:

Unverändert: Wenn Ihnen ein Beitrag gefällt, geben Sie mir ein „Like“, damit bereiten Sie mir eine kleine Freude. Schauen Sie sich vielleicht auch meine Bücherseite an. Vielleicht finden Sie ein Thema, über das Sie mehr lesen möchten, oder Sie empfehlen sogar ein Buch von mir weiter. Wenn Sie in einem Verlag arbeiten und sich vorstellen können, ein Buch zu dem aktuellen Thema herausgeben zu wollen, dann melden Sie sich bei mir. Wenn Sie etwas ergänzen wollen oder eine andere Meinung haben, schreiben Sie einfach einen Kommentar, ich freue mich immer über andere Ansichten. Jede Reaktion ist willkommen.

Autor: Ledochowski

Arzt und Autor

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert