Emotionen: Wie entsteht Ärger im Gehirn?

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Ärger ist ein alltägliches Gefühl, das oft erlebt wird, doch wenig Menschen machen sich Gedanken darüber, was dabei im Gehirn vorgeht und wie man Ärger behandeln könnte.

Warum sollte Ärger behandelt werden? Einfach deshalb, weil häufiger und anhaltender Ärger krank macht, und zwar nicht nur andere Menschen, sondern auch sich selber. Schließlich ärgert man sich!

Welche Gehirnabschnitte sind an der Entstehung von Ärger beteiligt?

Ärger entsteht im Gehirn durch Interaktion von biologischen und psychologischen Faktoren.  Daran beteiligt sind:

  • Die Amygdala: Sie sind Teil des limbischen Systems und spielen bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere bei Angst und Bedrohung. Wenn wir uns bedroht fühlen, kann die Amygdala aktiv werden und eine schnelle Reaktion wie z. B. Ärger auslösen.
  • Der präfrontale Kortex ist für die rationale Verarbeitung von Informationen zuständig. Er hilft uns, unsere Emotionen zu regulieren und abzuwägen, bevor wir handeln. Wenn der Kortex jedoch überfordert (überlastet) ist oder nicht richtig funktioniert, kann dies zu impulsiven Reaktionen führen (Impulskontrollverlust).
  • Der Hippocampus spielt eine Rolle bei der Bildung von Ängsten und kann dazu beitragen, wie jemand auf bedrohliche Situationen reagiert. Eine veränderte Funktion des Hippocampus kann die Wahrnehmung von Bedrohungen beeinflussen und somit auch die Reaktion auf Ärger steigern.
Welche Transmitter sind bei der Entstehung von Ärger beteiligt?

Man kann Ärger nicht einem einzelnen Transmitter zuordnen.  Mehrere Neurotransmitter interagieren komplex miteinander und beeinflussen, wie wir auf verschiedene Reize reagieren. Ein Ungleichgewicht in einem dieser Systeme kann dazu führen, dass wir empfindlicher auf Ärgernisse reagieren. Von folgenden Transmittern, nimmt man an, dass sie an der Entstehung von Ärger beteiligt sind:

  • Serotonin: spielt eine Rolle bei Stimmung und emotionalem Gleichgewicht. Ein Mangel an Serotonin kann zu vermehrtem Ärger und Aggressivität führen. Dies kann mit Medikamenten vom SSRI-Typ (z. B. niedrig dosiertes Fluoxetin) einfach behandelt werden.
  • Dopamin ist an der Belohnungsverarbeitung beteiligt. Es kann auch die Motivation beeinflussen. Ein Ungleichgewicht im Dopaminsystem kann zu impulsiven Reaktionen und Ärger führen. Es gibt zwar Medikamente, die hier eingreifen, die Wirkung von Sport, Entspannungstechniken und sozialen Interaktionen (Laufen, Leben, Lieben, Lachen) und die Vermeidung von Suchtmitteln (Alkohol, Nikotin, Drogen) ist aber wirksamer.
  • Noradrenalin ist eng mit Stress, Kampf-oder-Flucht-Reaktionen verbunden. Es erhöht die Wachsamkeit und kann in bedrohlichen Situationen Ärger und Aggression verstärken. Diese Wirkung kann mit Medikamenten vom NaSSA-Typ (z. B. niedrig dosiertes Mirtazapin) abgeschwächt werden. Diese Medikamente machen müde und verbessern den Schlaf und werden deshalb am Abend eingenommen.
  • Cortisol ist eigentlich kein Neurotransmitter, sondern ein Hormon, spielt aber eine wichtige Rolle bei der Stressverarbeitung. Hohe Cortisolspiegel können die Emotionen negativ beeinflussen und zu erhöhter Reizbarkeit führen. Um die Cortisol-Wirkung zu reduzieren, ist Ausdauertraining ein gutes Mittel.
  • GABA (Gamma-Aminobuttersäure) wirkt als hemmender Neurotransmitter und hilft, übermäßige Erregung im Gehirn zu reduzieren. Ein Mangel an GABA kann zu erhöhter Angst und Ärger führen. Bei akutem Ärger kann eine Behandlung mit Benzodiazepinen erfolgen, die sofort zu einer Beruhigung führen. Diese Medikamente haben jedoch den Nachteil, dass sie am nächsten Tag, wenn die Wirkung nachlässt, zu höherer Aggressivität führen können und bei längerer Einnahme eine Abhängigkeit erzeugen.

Alle angeführten Therapiemöglichkeiten dürfen nur unter ärztlicher Indikation und Aufsicht erfolgen.

Trigger für Ärger

Ärger kann durch verschiedene Trigger ausgelöst werden, die von Person zu Person variieren. Persönliche Geschichte, Erziehung und Kultur spielen dabei eine Rolle.

  • Ungerechtigkeit: Wenn man das Gefühl hat, unfair behandelt zu werden.
  • Frustration: Wenn Ziele nicht erreicht werden oder Dinge nicht nach Plan laufen.
  • Ignoriert werden: mangelnde Aufmerksamkeit oder Respekt von anderen.
  • Kritik: Negative Rückmeldungen, insbesondere, wenn sie als ungerecht empfunden werden.
  • Verletzungen: Physische oder emotionale Verletzungen
  • Überforderung: Zu viele Aufgaben oder Verantwortung, die kaum zu bewältigen sind.
  • Unverständnis: Wenn man das Gefühl hat, nicht verstanden oder anerkannt zu werden.
  • Angst: Wenn man sich bedroht oder unsicher fühlt.

Hohe Stresslevel können Emotionen verstärken und die Fähigkeit zur Regulation beeinträchtigen, was zu schnellerem Ärger führt. Frühere Erfahrungen und soziale Interaktionen prägen, wie man auf bestimmte Situationen reagiert. Emotionen werden erlernt und können deshalb auch wieder „verlernt“ werden. Wenn jemand beispielsweise häufig Ungerechtigkeit erlebt hat, kann er sensibler auf ähnliche Situationen reagieren. Er kann aber auch erlernen, „gelassen“ zu reagieren. Ärger ist ein natürlicher emotionaler Zustand, der durch viele Faktoren beeinflusst wird. Ärger kann aber auch krankhafte Formen annehmen. Vor allem der Übergang von langanhaltendem Ärger in Hass ist eine gefährliche Folge von Ärger, weil damit eine Spirale von Gewalt entstehen kann. Das kann man bei kriegerischen Auseinandersetzungen immer wieder sehen. Häufiger oder krankhafter Ärger sollte frühzeitig behandelt werden, mit psychotherapeutischen Verfahren, aber auch mit Medikamenten, falls es notwendig ist.

Welche Reaktionen bei Ärger noch im Körper vor sich gehen, kann man sehr schön an Redewendungen erkennen wie „jemandem platzt der Kragen“ oder „jemand verliert die Fassung“, „es ist zum aus der Haut fahren“ oder „man gerät in Rage“. Was dabei im Körper passiert?  Lesen Sie dazu mein Buch über „Redewendungen medizinisch erklärt

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Autor: Ledochowski

Arzt und Autor