Neurotheologie (Teil 1): Eine Einführung

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/32/Rel_exp_diagram.jpg

Als Arzt bin ich weder Neurowissenschaftler noch Theologe, aber mich interessiert, was in den Köpfen religiöser Menschen vorgeht. Warum sie von ihrem Glauben so überzeugt sind, dass sie oft sogar bereit sind, dafür zu sterben oder in den Krieg zu ziehen.

Religionskriege haben nicht nur in der Geschichte Menschenleben gefordert, sondern fordern auch heute noch viel Tote. Trotz dieser Gewaltbilanz von Mord und  Totschlag, psychischer und physischer Gewalt finden sich immer noch viele Menschen in kirchlichen Institutionen wieder. Sie suchen dort Schutz und Geborgenheit, finden aber oft das Gegenteil wie sexuellen Missbrauch, finanzielle Ausbeutung, Demütigung, zumindest aber Schuldgefühle.

Ursprünglich habe ich mich mit den Wundern Jesu im Neuen Testament beschäftigt und darüber ein Buch geschrieben. Mit dem heutigen medizinischen Wissen sind fast alle dort beschriebenen Wunder erklärbar, auch die Auferstehung Christi. Mit den Augen eines Arztes liest sich das Neue Testament wie ein Buch mit medizinischen Fallbeschreibungen aus der Antike. Eigentlich hätten die Mediziner das schon vor Jahrhunderten erkennen müssen, aber niemand wagte es, die Interpretationen der etablierten Theologen in Frage zu stellen. Theologen interpretieren die Bibel immer noch ohne medizinische oder naturwissenschaftliche Grundkenntnisse und formulieren Glaubenslehren, ohne zu wissen, was im Gehirn passiert, wenn jemand betet oder spirituelle Erfahrungen macht. Auch die Philosophen errichten Gedankengebäude und Erkenntnistheorien, ohne zu wissen, wie das Gehirn  funktioniert. Diese Ignoranz gegenüber den Naturwissenschaften ist für Mediziner nur schwer zu ertragen. Niemand würde zu einem Herzspezialisten gehen, der nicht einmal weiß, wie ein Herz aufgebaut ist, wie es funktioniert und wozu es von der Natur „erfunden“ wurde. Wenn es aber um Glaubensfragen geht, dann geht man zum Theologen und lässt sich belehren, ohne sich zu fragen, ob er über Kenntnisse verfügt, die über mittelalterliches Wissen hinausgehen. Nur weil etwas über Jahrhunderte hinweg gelehrt wurde, heißt es noch lange nicht, dass es richtig ist.

Um die Antwort auf die Frage nach der Funktion des Gehirns vorwegzunehmen: Das Gehirn wurde von der Natur nicht zum Nachdenken geschaffen, sondern um die Überlebenswahrscheinlichkeit seines Besitzers zu erhöhen. Wenn jemand mit seinem Gehirn Erkenntnisse gewinnt, ist das schön und gut, aber von der Natur nicht so vorgesehen und eher ein Nebenprodukt. Das sollten sich alle, die sich für große Denker halten, hinter die Ohren schreiben, denn Denken ist biologisch gesehen nur dann notwendig, wenn es die Wahrscheinlichkeit zu überleben verbessert. Das kann natürlich auch sehr komplexe Aufgabenbereiche umfassen.

Erlauben Sie mir, Sie auf eine Reise durch das Gehirn mitzunehmen. Wie der Glaube im Gehirn entsteht und warum Menschen einen Hunger nach Glauben haben. Warum Menschen sich zu Religionsgemeinschaften zusammenschließen und sogar im Namen Gottes töten. Diesen und vielen anderen Fragen möchte ich nachgehen.
Eigentlich wollte ich eine Vorlesung zu neurotheologischen Fragen halten. Sowohl die Salzburger als auch die Innsbrucker Universität hielten eine solche Vorlesung nicht für notwendig. Vielleicht haben sie auch im 3. Jahrtausend Angst vor naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Deshalb möchte ich hier in unregelmäßigen Abständen einzelne Kapitel der Neurotheologie aufarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Fragen zu einzelnen Themen sind herzlich willkommen.
Anmerkung:
Wenn Ihnen ein Beitrag gefällt, geben Sie mir ein „Like“, damit bereiten Sie mir eine kleine Freude. Schauen Sie sich vielleicht auch meine Bücherseite an. Vielleicht finden Sie ein Thema, über das Sie mehr lesen möchten, oder Sie empfehlen sogar ein Buch von mir weiter. Wenn Sie in einem Verlag arbeiten und sich vorstellen können, ein Buch zu dem aktuellen Thema herausgeben zu wollen, dann melden Sie sich bei mir. Wenn Sie etwas ergänzen wollen oder eine andere Meinung haben, schreiben Sie einfach einen Kommentar, ich freue mich immer über andere Ansichten. Jede Reaktion ist willkommen.

Autor: Ledochowski

Arzt und Autor

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert