Als Peristaltik bezeichnet man die Bewegungen des Darms. Sie dient der Durchmischung und dem Weitertransport des Nahrungsbreis. Eine gestörte Peristaltik kann zu zahlreichen Beschwerden führen, die häufig mit der Diagnose „Reizdarmsyndrom“ abgetan werden.
Welche Arten von Peristaltik gibt es?
- Normale Peristaltik (vorwärts gerichtete Peristaltik)
- Anti-Peristaltik (rückwärts gerichtete Peristaltik)
- Pendelperistaltik (hin- und herbewegende Peristaltik)
- Hyperperistaltik (zu starke Peristaltik)
- Hypoperistaltik (zu schwache Peristaltik)
Was bedeuten die verschiedeneren Formen der Peristaltik?
- Normale Peristaltik(vorwärts gerichtete Peristaltik): dient dem Weitertransport des Speisebreis. Beginnt in der Speiseröhre (Schlucken) und endet am After (Defäkation).
- Anti-Peristaltik: bezeichnet die Bewegung in die entgegengesetzte Richtung. Sie transportiert die Nahrung zurück in Richtung Mund. Sie kommt natürlicherweise am Anfang des Dickdarms (Blinddarm) vor und dient der Durchmischung des Speisebreis. Die Anti-Peristaltik hat die Aufgabe, unzureichend verdaute Nahrung „zurückzuschicken“. Giftige Nahrung wird durch die Anti-Peristaltik schon im oberen Verdauungstrakt zurückgeschickt: Es kommt zunächst zu Übelkeit und danach zum Erbrechen (Maximalform der Anti-Peristaltik). Ursachen für Anti-Peristaltik sind:
- Normal im Blinddarm (Coecum).
- Unverdaute bzw. unverdauliche Nahrung (Ballaststoffe, Fruktose, Laktose u.a.)
- Giftige Nahrung (Rohkost!)
- Bildung von Toxinen während der Verdauung (Fehlbesiedelung u.a.).
- Pendelperistaltik(hin- und herbewegende Peristaltik): Die Pendelperistaltik ist eine Kombination aus Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des Darms und stellt eine normale Darmfunktion dar. Dabei „tastet“ der Darm den Nahrungsbrei ständig ab, indem er den osmotischen Druck des Nahrungsbreis misst. Ist die Nahrung für den entsprechenden Darmabschnitt nicht ausreichend verdaut, merkt dies der Darm und „schickt den Speisebrei zurück“. Vor allem bei schwer verdaulichen Nahrungsmitteln wird der Nahrungsbrei immer wieder „zurückgeschickt“, solange bis alle Nahrungsbestandteile ausreichend aufgespalten sind. Dabei kann es dann auch zu unangenehmen Darmgeräuschen kommen. (Man kann sich die Pendelperistaltik wie bei einer Waschmaschine vorstellen, die sich einmal nach links und nach kurzer Pause wieder nach rechts dreht. Dadurch wird die gleichmäßige Verteilung und intensivere Einwirkung des Waschpulvers gewährleistet.) Ursachen für Pendelperistaltik sind:
- Schwer verdauliche Nahrung (Ernährung mit vielen, auch löslichen Ballaststoffen wie Karrageen, Johannisbrotmehl, Vollkornprodukte, Müsli etc.).
- Überangebot an Nahrung (Overfeeding: Nahrungsangebot ist größer als die Verdauungskapazität).
- (partielle) Resorptionsstörung (gestörte Aufnahme einzelner Nahrungsbestandteile).
- Hyperperistaltik(zu starke Peristaltik): Hyperperistaltik beschreibt eine gesteigerte Peristaltik. Tritt sie im oberen Verdauungstrakt auf, kommt es zu Darmgeräuschen, die oft als unangenehm empfunden werden. Tritt sie im unteren Verdauungstrakt auf, führt sie zum Symptom „Durchfall“. Hyperperistaltik ist ein Zeichen dafür, dass der Darm den Nahrungsbrei so schnell wie möglich „loswerden“ will.
- Hypoperistaltik (zu schwache Peristaltik): Hypoperistaltik beschreibt eine verminderte Peristaltik. Tritt sie im oberen Verdauungstrakt auf, hat man das Gefühl „etwas liegt im Magen“, bzw. das Symptom „Völlegefühl“. Tritt sie im unteren Verdauungstrakt auf, hat man das Gefühl „man ist verstopft“ bzw. das Symptom „Obstipation“. Die Ursachen sind sehr komplex und werden in den Lehrbüchern der Gastroenterologie beschrieben.
Bis zu einem gewissen Grad sind Darmgeräusche normal. Wenn sie belastend sind und mit anderen Symptomen (Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen usw.) einhergehen, sollte eine gastroenterologische Abklärung erfolgen.
Welche Rolle spielen Serotonin-Rezeptoren?
Der größte Teil des Serotonins wird nicht im Gehirn, sondern im Darm gebildet und verstoffwechselt. Dort befinden sich auch zahlreiche Serotonin (5-HT)-Rezeptoren. Etwa 90 % des gesamten Tryptophan wird in den sogenannten EC-Zellen („Enterochromaffine Zellen“) des Darms in Serotonin umgewandelt. Die Freisetzung erfolgt durch mechanische und chemische Reize (Dehnung der Darmwand, durch den Nahrungsbrei). Der größte Teil des Serotonins wird wieder in die EC-Zellen aufgenommen. Antidepressiva vom SSRI-Typ hemmen diese Wiederaufnahme und führen daher zu einer verlängerten Serotoninwirkung im Darm.
- 5-HT3-Rezeptoren: befinden sich auf Neuronen des enterischen Nervensystems und auf sensorischen Nervenfasern, die von der Darmschleimhaut zum Gehirn ziehen. Sie spielen eine Rolle bei der Schmerzempfindung und bei der Steuerung der Darmperistaltik sowie bei der Entstehung von Übelkeit und Brechreiz. H-HT3-Blocker (sogenannte Setrone) werden daher auch zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Beispiele sind:
- Ondansetron
- Tropisetron
- Palonosetron u.v.a.
- Metoclopramid ist ein partieller Antagonist
- Ingwer hat auch eine geringe 5-HT3-blockierende Wirkung
- 5-HT4-Rezeptoren kommen auch in den Neuronen des enterischen Nervensystems und in den Muskelzellen des Darms vor. Sie fördern die Freisetzung von Acetylcholin, das die Darmmotilität und -bewegung stimuliert. Agonisten der 5-HT4-Rezeptoren wie Prucaloprid werden bei Verstopfung eingesetzt, da sie die Darmperistaltik stimulieren und die Transitzeit im Darm verkürzen. Einige dieser spezifischen 5-HT4-Stimulatoren wurden aufgrund ihrer Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen.
- 5-HT1A-Rezeptoren: beeinflussen die Sensitivität des Darmes und damit das Schmerzempfinden
- 5-HT2B-Rezeptoren dürften bei der Darmmotilität eine Rolle spielen, sind aber noch wenig erforscht.
Die hohe Dichte an 5-HT-Rezeptoren im Darm erklärt auch, warum Antidepressiva vom SSRI-Typ, aber auch andere Antidepressiva, die auf Serotonin-Rezeptoren wirken, bei vielen Menschen mit Reizdarmsyndrom eine günstige Wirkung zeigen, insbesondere wenn das Symptom Verstopfung im Vordergrund steht.
Mehr zum Thema finden Sie in meinem Buch „Ist es wirklich Reizdarm?“
Literatur:
Anmerkung:
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Sehr geehrter Dr.Ledochowski
könnten Sie mir bitte erklären, wie sich eine gestörte Pendelperistaltik bei Lebensmittelunverträglichkeiten auf die Darmgeräusche auswirkt und ab wann diese pathologisch sind?
Vielen Dank im Voraus und freundliche Grüße aus Villach
David Bräuer 😊
Ich habe versucht, Ihre Frage mit o. a. Artikel zu beantworten. Falls weitere Fragen bestehen, bitte einen neuen Kommentar schreiben.
Lieber Herr Dr. Ledochowski,
interessant wäre auch ein Artikel darüber, wie Antidepressiva (wie Mirtazapin oder Paroxetin) genau die Peristaltik und die Verdauung beeinflussen, und wie sie damit gegen Pilze und Fehlbesiedlungen wirken.
Viele Leute, denen ich davon erzählt habe, glauben mir das nämlich nicht so recht, obwohl ich persönlich gute Erfahrungen damit gemacht habe.
Vielen Dank und herzliche Grüße
Julia Meister
Vielen Dank für Ihre interessante Frage, ich habe die Antwort versucht in den Artikel einzubauen. Weitere Fragen sind gerne willkommen.