Nahtoderlebnisse medizinisch erklärt (Teil-1)

Einer der häufigsten „Beweise“ für ein Leben nach dem Tod sind sogenannte Nahtoderlebnisse. Menschen, die klinisch tot waren und erfolgreich wiederbelebt wurden, berichten manchmal (nicht immer!) von sogenannten Nahtoderfahrungen. Das sind Erlebnisse, die sie hatten, als sie bewusstlos waren oder als „klinisch tot“ galten. 

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Den Begriff „klinisch tot“ gibt es in der Medizin eigentlich gar nicht. Der Mediziner spricht von Koma oder Bewusstlosigkeit. Nur in der Laienpresse wird der Begriff „klinisch tot“ immer wieder verwendet. In Ermangelung einer genauen Definition wird der Begriff „klinisch tot“ von vielen Menschen sehr unterschiedlich verwendet. Im Allgemeinen wird der Zeitraum, in dem eine Person „klinisch tot“ ist und dabei „Erlebnisse“ hatte, oft wie folgt beschrieben:

  1. Gefühl des Friedens und der Freude.
  2. Gefühl, durch einen Tunnel zu gehen, an dessen Ende ein strahlendes Licht ist.
  3. Außerkörperliche Erfahrung (out-of-body experiences), Mithören umgebender Gespräche.
  4. Ablauf eines „Lebensfilmes“ (wieder-erleben von Situationen aus der Vergangenheit, evtl. schnell ablaufender Film über Erlebtes).
  5. Sowie zahlreiche weitere Nahtoderlebnisse, die am besten im Fragebogen von Greyson ersichtlich sind.

Bei all diesen berichteten Erfahrungen handelt es sich eigentlich um Symptome, die bei bestimmten Funktionsstörungen des Gehirns auftreten können. Auch vielen Ärzten sind solche Symptome wenig bis gar nicht bekannt. Selbst die Psychiaterin Kübler-Ross, die im Rahmen ihrer Forschungen zum Sterbeprozess immer wieder mit solchen Erlebnissen konfrontiert wurde, konnte die Schilderungen nicht in ein wissenschaftliches Bild einordnen und interpretierte sie später in ihrem Leben mit esoterischen Erklärungen.

Allen Nahtoderfahrungen gemeinsam ist enormer Stress.

Wenn ein Mensch stirbt, „reagiert“ der Körper normalerweise mit einer enormen Stressreaktion. Um das Gehirn vor zu starken Stressreaktionen zu schützen, verfügt der Körper über Schutzmechanismen. Diese dienen auch dazu, „später“ mit den Stresserfahrungen besser umgehen zu können.
Dazu ein Beispiel: Die meisten Frauen, die eine Geburt erlebt haben, erinnern sich positiv daran, obwohl sie oft sehr starke Schmerzen hatten. Während der Geburt schüttet der Körper vermehrt Endorphine aus, die als natürliche Schmerzmittel wirken und ein Gefühl der Euphorie hervorrufen. Nach der Geburt wird Dopamin, das starke positive Emotionen und Oxytocin, das eine intensive Bindung zum Neugeborenen fördert. Mit der Zeit neigt das Gehirn dazu, schmerzhafte Erinnerungen zu verdrängen, sodass die Geburt insgesamt als positives Erlebnis im Gedächtnis bleibt und die erinnerten Schmerzen in den Hintergrund treten.
Ähnlich verhält es sich bei einer Nahtoderfahrung: Durch den enormen Stress kommt es zu einer massiven Ausschüttung von Endorphinen. Endorphine haben eine schützende Wirkung auf das Gehirn. Sie schützen vor neurotoxischen Substanzen wie Glutamat, wirken entzündungshemmend und führen zu einem euphorischen Gefühl. Gleichzeitig wird auch das Zeitgefühl stark verändert. Unangenehme Gefühle vergehen subjektiv schneller, angenehme Gefühle verweilen „gefühlt“ länger. Unter hoher Endorphin-Wirkung berichten viele Menschen, dass die Zeit „stehen bleibt“ oder „bedeutungslos“ wird. Endorphine helfen auch, Schäden an den Nervenzellen zu verhindern.
Das erlebte euphorische Gefühl hinterlässt Erinnerungen wie „tiefen Frieden und Freude“. Dies erklärt die unter Punkt 1 beschriebene Erfahrung von Menschen, die „klinisch tot“ waren. Ein Beweis für ein Leben nach dem Tod stellt diese Art von Nahtoderfahrung NICHT dar.
Hier finden Sie verschiedene Artikel zu religiösen Themen von einem Nicht-Theologen.
Mehr dazu finden Sie in meinem Buch „Die Wunder der Bibel medizinisch erklärt“.
Diskutieren Sie mit und bringen Sie Ihre Gedanken dazu ein.

Nahtoderlebnisse medizinisch erklärt (Teil-2 Licht am Ende eines Tunnels)

Ein weiteres häufig geschildertes „Erlebnis“ bei Menschen mit Nahtoderfahrungen ist die Beschreibung „das Gefühl gehabt zu haben, durch einen Tunnel zu gehen, an dessen Ende ein strahlendes Licht ist“.

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Gefühl durch einen Tunnel zu gehen, an dessen Ende ein strahlendes Licht ist

Menschen mit Nahtoderfahrungen beschreiben mitunter das Gefühl eines Tunnels, an dessen Ende ein helles Licht erscheint. Manchmal wird das Licht sogar personifiziert und als „Gott“ oder „Jesus“ beschrieben. In den meisten Fällen beschreiben die Betroffenen das Licht als „liebevoll“, „Wärme ausstrahlend“ oder „sehr angenehm“. Auf jeden Fall wird diese Art der Nahtoderfahrung fast immer als sehr angenehm empfunden.
Erklärung:
Bei Durchblutungsstörungen des Auges, im Rahmen eines Blutdruckabfalls, ist in der Regel das zentrale Gesichtsfeld als Letztes von dem damit einhergehenden Funktionsverlust betroffen. Dieses zentrale Gesichtsfeld, repräsentiert durch die Makula (gelber Fleck), ermöglicht uns das „scharfe“ Sehen. Bei einem Blutdruckabfall kommt es zunächst zu einer Einschränkung des Gesichtsfeldes im peripheren Bereich. Ein kleiner Bereich in der Mitte des Gesichtsfeldes, das sogenannte „zentrale Sehen“, bleibt erhalten. Erst später geht auch das zentrale Sehen verloren. Diese zunehmende Einschränkung des Gesichtsfeldes erfolgt von außen nach innen, und ist auch als „Röhrensehen“ oder „Tunnelblick“ bekannt. Man kennt dieses Symptom auch von verschiedenen Erkrankungen des Gehirns oder der Augen, wie etwa Schlaganfall, Unterzucker, Blutdruckabfall oder starke Stressreaktionen. Dabei verlieren als Erstes die peripheren Anteile des Auges, die schlechter durchblutet sind, ihre Sehfähigkeit, während das zentrale Sehen noch aktiv ist. Durch den Mangel an sauerstoffreichem Blut kommt es dann zu dem Gefühl, alles durch einen Tunnel zu sehen. Nimmt die Durchblutung weiter ab, ist auch das zentrale Sehen nicht mehr möglich und es bleibt nur noch ein zentrales Licht sichtbar, sodass die Betroffenen das Gefühl haben, ein „Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen. Erfolgt der Blutdruckabfall schlagartig, wird einem einfach „schwarz vor den Augen“.
In einer solchen Situation liegt bereits eine ausgeprägte Notfallreaktion vor, sodass von einer starken Endorphinausschüttung ausgegangen werden kann. Das „angenehme Gefühl“, das oft mit diesem „Licht am Ende des Tunnels“ einhergeht, ist auf die Endorphinausschüttung im Rahmen der Notfallsituation zurückzuführen.

Das „Licht am Ende des Tunnels“ ist also wahrscheinlich nichts anderes als ein physiologisches Phänomen, das durch eine Einschränkung der peripheren Durchblutung des Auges im Rahmen einer Durchblutungsstörung verursacht wird. Jedenfalls ist es KEIN HINWEIS für ein Leben nach dem Tod oder des Überschreitens einer Grenze ins Jenseits. Siehe dazu auch den Fragebogen von Greyson.

In diesem BLOG finden Sie verschiedene Artikel zu religiösen Themen von einem Nicht-Theologen. Meist handelt es sich bei den behandelten Themen um Fragen, die mir von Patienten gestellt wurden.
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Nahtoderlebnisse medizinisch erklärt (Teil-3 „Lebensfilm“)

Einer der häufigsten „Beweise“ für ein Leben nach dem Tod sind sogenannte Nahtoderlebnisse. Menschen, die klinisch tot waren und erfolgreich wiederbelebt wurden, berichten manchmal (nicht immer!) von sogenannten Nahtoderfahrungen. Das sind Erlebnisse, die sie hatten, als sie bewusstlos waren oder als „klinisch tot“ galten.

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Ein weiteres häufig geschildertes „Erlebnis“ bei Menschen mit Nahtoderfahrungen ist die Beschreibung „dass sie ihr ganzes Leben wie in einem Film ablaufen sahen“.

Wie kommt es zu einem „ablaufenden Lebensfilm“?

Manche Menschen mit Nahtoderfahrung berichten, dass sie ihr ganzes Leben wie in einem Film ablaufen sahen. Alle wichtigen Lebensabschnitte wurden noch einmal wie in einem schnell ablaufenden Film gesehen, ja sogar noch einmal durchlebt. Oft wird vermutet, dass dieser „Lebensfilm“ wie in dem Schauspiel „Jedermann“ von Hugo v. Hofmannsthal am Lebensende die guten und schlechten Taten als eine Art „Rechenschaftsbericht“ vor dem geistigen Auge ablaufen lässt. Sozusagen als Zusammenfassung des eigenen Lebens, wenn man vor seinen Schöpfer tritt. Leider ist das nicht so.

Erklärung:

Der sogenannte „Lebensfilm“ ist ein ganz normales physiologisches Phänomen. Dazu muss ich aber ein wenig ausholen und einige Funktionen des Gehirns erklären. Im Gehirn gibt es eine Struktur, die Hippocampus genannt wird. Der Name kommt daher, weil er an die Form eines Seepferdchens erinnert. Wenn man den Hippocampus bei einer neurochirurgischen Operation entfernt, kann man sich an nichts mehr erinnern. Deshalb ging man lange Zeit davon aus, dass das Gedächtnis im Hippocampus lokalisiert ist. Ganz so einfach ist es aber nicht. Der Hippocampus spielt zwar eine zentrale Rolle für das Gedächtnis, in ihm findet jedoch nur eine vorübergehende Speicherung von Gedächtnisinhalten statt.

Heute hat sich folgendes Modell für die Funktion des Hippocampus herauskristallisiert: Wenn man ein gefährliches oder stark emotionales Erlebnis hat, wird dieses zunächst im Hippocampus abgespeichert. In der folgenden Nacht wird dieser Erlebnisinhalt (während der Traumphase) dann in das Frontalhirnverschoben“. Im Hippocampus bleibt nur noch die „Adresse“ des Erinnerungsinhalts gespeichert. Dies funktioniert ähnlich wie bei einem Computer. Der Hippocampus arbeitet eng mit der Amygdala (Mandelkernen) zusammen, einer Gehirnregion, in der Emotionen verarbeitet werden. Dadurch werden Erlebnisse zusammen mit emotionalen Gedächtnisinhalten abgespeichert.

Als Beispiel für die Funktionsweise des Hippocampus kann man sich die Erinnerung an eine Situation vorstellen, in der ein zunächst knurrender, dann aggressiv bellender Hund einem Menschen eine Bissverletzung zugefügt hat. Diese Situation wird im Hippocampus gespeichert, mit der Emotion „Angst“, erlittenen „Schmerz“ und „Gefahr“ verknüpft und beim nächsten Schlaf im Frontalhirn abgespeichert. Kommt es nun später zu einer ähnlichen Situation, z. B. ein Hund knurrt und fletscht seine Zähne spielt sich im Gehirn Folgendes ab: Das Gehirn sucht im Hippocampus, ob es schon einmal eine ähnliche Situation erlebt hat und ob es erfolgreiche Reaktionen zu so einer Situation gespeichert hat, auf die es zurückgreifen kann. Auf diese Weise wird der Hippocampus zum zentralen Organ der Gefahren- und Stressregulation. Hier sind die Adressen für alle wichtigen Notsituationen gespeichert, die man schon einmal erlebt hat. Gleichzeitig steuert der Hippocampus auch die Ausschüttung von Stresshormonen und bereitet so auf Flucht- oder Kampfsituationen vor. Bei jeder Stresssituation wird auf diese Weise nicht nur geprüft, ob es eine ähnliche Erinnerung gibt, die schon einmal erfolgreich gelöst werden konnte, sondern auch die Stressreaktion optimiert. Dieses „Notfallgedächtnis“ verschafft Menschen und Säugetieren einen enormen Überlebensvorteil, weil damit die Voraussetzung geschaffen wird, mit jeder Notsituation immer besser zu umzugehen. Im Lauf eines Lebens wird so das Notfallgedächtnis optimiert. Man sammelt „Erfahrung“.

Wenn nun jemand ein Nahtoderlebnis hat, so stellt dies für die betroffene Person eine enorme Stresssituation dar. Dies hat zur Folge, dass im Hippocampus nachgeschaut wird, ob eine ähnliche Situation nicht schon einmal vorhanden war und erfolgreich bewältigt wurde. Da im Gedächtnis meist kein solches Ereignis gefunden wird, muss der Hippocampus alle gespeicherten Adressen mit den entsprechenden Erinnerungen abrufen. Damit kommt es zu einem „ablaufenden Film aller emotional bedeutenden Erlebnisse“, die seit der frühen Kindheit bestanden haben. Natürlich werden dabei nur die „wichtigen“ Erinnerungen abgerufen, da nur diese stark emotional gefärbt sind.

Das ist der Grund, warum Menschen mit Nahtoderfahrungen das Gefühl haben, ihr ganzes Leben würde vor ihrem inneren Auge ablaufen. Eine ganz normale Reaktion des Gehirns, die nichts mit Gut und Böse und schon gar nichts mit einem „das Leben überprüfenden“ Gott zu tun hat.

Siehe dazu auch den Fragebogen von Greyson.

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Nahtoderlebnisse medizinisch erklärt (Teil-4 „Ego-Dissolution“)

Ein weiteres häufig geschildertes „Erlebnis“ bei Menschen mit Nahtoderfahrungen ist die Beschreibung, dass sie sich „mit dem Universum eins fühlen“ oder „Gott erlebt haben“.

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Was ist ein ICH-Gefühl, und was ist ICH-Auflösung?

(Fast) jeder Mensch hat ein ICH-Gefühl („Cogito ergo sum“!). Physiologisch gesehen entwickelt sich das Ich-Gefühl ab dem 2. Lebensjahr im sogenannten DMN (Default Mode Network). Das DMN ist ein Netzwerk von verbundenen Hirnregionen, das bei Menschen aktiv wird, wenn sie sich im Ruhezustand befinden, oder sich nicht auf bestimmte Aufgaben konzentrieren. Es wird hauptsächlich aktiviert, wenn man tagträumt, nachdenkt, meditiert usw. Eine wichtige Rolle im DMN spielt der sogenannte, „Precuneus“. Diese Hirnregion wird mit Selbstreflexion und der Verarbeitung von Erinnerungen in Verbindung gebracht. Das DMN ist eine sehr interessante funktionelle Einheit im Gehirn und spielt bei manchen Krankheiten wie Depressionen und Zwangsstörungen eine Rolle. Bei diesen Krankheiten ist die Aktivität des DMN erhöht (grübeln) weshalb für manche Menschen mit Depressionen Achtsamkeitsübungen nicht so empfehlenswert sind. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass Arbeit bei Depressionen eine heilende Wirkung hat (Ablenkung, „Workaholic“) während Entspannung eher zu einer Verstärkung der Depression führt (Grübeln, Melancholie). Eine verminderte Aktivität des DMN findet man bei Autismus-Spektrum-Störungen und bei Alzheimer-Krankheit.

Wie kommt es zum Gefühl, „sich im Universum aufzulösen“?

Wird der Precuneus zerstört (durch Operation, Schlaganfall etc.), kommt es zu einer Störung des Ich-Gefühls und der Selbstwahrnehmung sowie zu Gedächtnisstörungen und Veränderungen des räumlichen Vorstellungsvermögens. Eine „normale“ Verarbeitung sozialer Informationen und eine Abgrenzung des eigenen ICH zur Umwelt ist nicht mehr gut möglich. Das „ICH“-Gefühl hört gewissermaßen auf zu existieren.

Was wir aus der Wirkung von Psychedelika lernen können:

Ein sehr ähnlicher Zustand kann durch gewisse Drogen (Psychedelika) hervorgerufen werden, die zu einer Stimulation bestimmter Serotoninrezeptoren (5-HT2A-Rezeptoren) führen. Bekannte Vertreter dieser Drogen sind LSD (Lysergsäurediethylamid), Psylocibin, DMT (Dimethyltryptamin, Ayahuasca), Meskalin (Peyote-Kaktus), Ketamin (Narkotikum) und Salvia divinorum (Götter-Salbei). Die Einnahme dieser Drogen führt über die Stimulation der 5-HT2A-Rezeptoren zu einer Unterdrückung der Aktivität im DMN (Default Mode Network). Dadurch werden selbstreflexive Gedanken unterdrückt und das ICH-Gefühl löst sich allmählich auf. Dieser Zustand der ICH-Auflösung wird auch als EGO-Dissolution bezeichnet. Die Betroffenen erleben dabei ein „erhebendes Gefühl“ und haben die Vorstellung, mit dem Universum zu verschmelzen oder das Gefühl „Gott“ zu erfahren. Nachdem dieser Zustand abgeklungen ist, wird das Erlebte oft als „spirituelle Erfahrung“ oder als „Gotteserfahrung“ bezeichnet. Dabei besteht die feste Überzeugung, dass das Erlebte Real war. Die Betroffenen sind dementsprechend auch nicht von der vermeintlichen „Echtheit“ des Erlebten abzubringen („ich habe alles am eigenen Körper erlebt!“).

Die oben beschriebenen Substanzen werden seit Jahrtausenden bei religiösen Handlungen verwendet. Da sie regelmäßig (aber nicht immer!) spirituelle Erlebnisse auslösen, werden sie auch als entheogene Substanzen („Gott erzeugende Substanzen“) bezeichnet. Wichtig zu wissen ist, dass diese Ich-Auflösung nicht immer eintritt und sehr unangenehme Gefühle entstehen können. In diesen Fällen sprechen die Betroffenen auch von einem „Horrortrip“.

Beim Sterbevorgang oder bei massiven Durchblutungsstörungen können einzelne Nervenzellen, die Serotonin enthalten, absterben und dabei Serotonin an die Umgebung „verlieren“. Dieses Serotonin kann durch aktive Prozesse nicht mehr in die Nervenzellen wieder aufgenommen werden (da die Zelle ja tot ist). Serotonin verbleibt über längere Zeit im synaptischen Spalt und kann die 5-HT2A-Rezeptoren von noch nicht abgestorbenen Zellen erregen. Wie bei der Einnahme von psychedelischen Drogen kommt es dadurch zu wunderbaren „Gotteserfahrungen“ und man fühlt sich mit dem Universum (oder Gott) verbunden.

In der Forschung zu Nahtoderfahrungen wurde beschrieben, dass Nahtoderlebnisse in 99 % der Fälle als sehr angenehm empfunden wurden (Gefühl, im Himmel zu sein) und nur in 1 % der Fälle war das nicht der Fall (Horrortrip oder „Höllengefühl“). Es stellt sich die Frage, ob durch Reanimationsmaßnahmen das Gefühl der EGO-Auflösung gestört wird und dadurch mehr Menschen in eine Art Horrortrip-Erlebnis geraten? Wir wissen nicht, ob wirklich alles genau so abläuft, wie oben beschrieben. Aber es ist eine sehr einfache Erklärung für vermeintliche „Gotteserfahrungen“ im Rahmen von Nahtoderlebnissen oder im Rahmen „spiritueller Erfahrungen“. Siehe dazu auch den Fragebogen von Greyson.

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Nahtoderlebnisse medizinisch erklärt (Teil-5 „Out of body experience“)

Ein weiteres häufig geschildertes „Erlebnis“ bei Menschen mit Nahtoderfahrungen ist die Beschreibung, dass sie das Gefühl haben „ihren Körper zu verlassen und sich selber beobachten zu können“.

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Schon Alexander von Humboldt beschrieb das Gefühl, den eigenen Körper verlassen zu haben und sich selbst zu beobachten. Dies geschah, als er einen Berg bestieg und eine Höhe von über 6.000 Metern erreichte (ohne vorherige Akklimatisation!). Offensichtlich führten Sauerstoffmangel und Anstrengung dazu, dass seine Wahrnehmungen nicht mehr richtig funktionierten.  „Out-of-body“-Erfahrungen werden häufig im Zusammenhang mit Nahtoderfahrungen berichtet. Manche Menschen schreiben diese Erlebnisse religiösen oder spirituellen Erfahrungen zu und interpretieren sie als „Beweis“ dafür, dass es neben einem physischen Körper noch einen spirituellen Körper (Seelenkörper) gibt und diese voneinander getrennt sein können.

Wie kommt es zu einer „außerkörperliche Erfahrung“ (AKE)?

Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben, berichten oft, dass sie ihren Körper verlassen haben. Diese Erfahrung wird in der Medizin als „außerkörperliche Erfahrung (AKE)“ (englisch: out-of-body experience (OBE)) bezeichnet. In diesem Zustand beschreiben die Betroffenen, sich selbst außerhalb ihres Körpers wahrgenommen zu haben. Viele beschreiben, dass sie sich selbst von außen betrachten und ihren eigenen Körper sehen können (Autoskopie). Die Out-of-Body-Erlebnisse werden oft als eine Trennung des Bewusstseins vom Körper erlebt und beschrieben. Der „Geist“ schwebt über dem Körper und geht alleine auf Reisen. AKEs treten physiologischerweise in außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen auf, z. B. bei Übermüdung, in luziden Träumen oder unter dem Einfluss mancher psychotroper Substanzen. Sie können auch künstlich im Labor durch elektrische Stimulation bestimmter Hirnareale (gyrus angularis) hervorgerufen werden1. AKEs können aber auch im Rahmen neurologischer oder psychiatrischer Erkrankungen auftreten und werden dann auch als dissoziative Störungen bezeichnet. Sie können durch Unfälle, Kreislaufversagen, Übermüdung, Stress, Migräne, epileptische Anfälle oder Schlaganfälle ausgelöst werden oder auch ein Symptom der selten diagnostizierten Depersonalisationsstörung sein.

Wie kommt es zum Gefühl, den Körper zu verlassen?

Die Hirnregion des Gyrus angularis ist eine wichtige Schaltstelle für die Wahrnehmung des eigenen Körpers, in der Informationen aus dem visuellen System mit Tast- und Gleichgewichtseindrücken zusammengeführt und verarbeitet werden. Fehlwahrnehmungen des eigenen Körpers aufgrund von Störungen in der Verarbeitung dieser Sinneseindrücke im Gyrus angularis können zu AKEs führen. Aus dieser Sicht können Out-of-Body-Erfahrungen auch einfach als „Rechenfehler des Gehirns“ betrachtet werden.

Auslöser für Out of Body experiences (OBE)
  • Physiologische Auslöser (manche Menschen können diesen Zustand sogar willentlich herbeiführen)
    • bei Übermüdung
    • bei Stress
    • beim Meditieren
    • beim Einschlafen (vgl. Hypnagoge Zustände)
    • bei Klarträumen
    • unter Hypnose, Trance oder Ekstase
  • Pathologische Auslöser
    • durch Unfälle
    • Durchblutungsstörungen (Kreislaufversagen, TIA, Insult, etc.)
    • bei Migräne,
    • bei epileptischen Anfällen
    • Im Rahmen von Nahtoderfahrungen
    • Im Rahmen einer Depersonalisationsstörung (selten)
  • Pharmakologische Auslöser (Einfluss von psychotropen Substanzen aus der Gruppe der Psychedelika)
    • Ketamin (Agitated emergence, K-Hole)
    • LSD
    • Psilocybin
    • Salvinorin A
    • Meskalin u.a.
  • Experimentell ausgelöste AKEs
Zusammenfassend kann man sagen, dass ALLE beschriebenen Gefühle bei Nahtoderlebnissen physiologisch erklärt werden können und nichts mit einem Leben nach dem Tod oder einem „Jenseits“ zu tun haben! Die Erklärungen mancher Theologen, die solche Erlebnisse auf göttliche Wirkungen zurückgeführt werden können, sind schlichtweg falsch und können nur durch mangelnde medizinische Bildung erklärt werden. Auch eine „Höllentrip“ hat NICHTS mit einer Hölle zu tun, sondern ist lediglich Ausdruck einer ungünstigen Wirkung von Neurotransmittern im Gehirn.
Anmerkung:
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